Edith Erbrich
Hella und Edith Bär mit ihrer Mutter Susanna Bär um 1942/43
Edith Erbrich kam am 28.
Oktober 1937 in Frankfurt am Main zur Welt. Ihre ältere
Schwester -Hella Bär- ist am 1. Juli 1933 in Frankfurt am Main
geboren. Norbert Bär wurde 1909 geboren. Sein Vater -Hugo
Bär- starb an den unmenschlichen Bedingungen im
Konzentrationslager Theresienstadt am 23. September 1943 im Alter von
73 Jahren und seine Mutter Paula Bär überlebte.
Die katholische Mutter von Edith und Hella -Susanna Bär-
wurde von der Polizei im Juli1942 für drei Wochen in Beugehaft
genommen, weil sie für ihre Kinder Kleidung besorgen wollte. Die
Behörden verweigerten ihr die Kleiderkarte aus antisemitischen
Gründen. Es kam zum Streit. In den Akten heißt es:
"Die B. hat sich auf dem Wirtschaftsamt ungebührlich betragen, da
ihr auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur jüdischen
Religionsgemeinschaft die Kleiderkarte verweigert wurde. Sie wurde 21
Tage in Haft genommen."
Ausweis aus der NS-Zeit von Hella Bär: Im Ausweis war ein "J" abgebildet.
Damit wurden alle Menschen jüdischen Glaubens stigmatisiert und ausgrenzt.
Verharmlosend steht im Ausweis, dass Hella "evakuriert" wurde. In Wirklichkeit
war "evakuiert" nur ein Synonym für Deportation!
Diesen Judenstern musste Edith Bär als kleines Kind tragen.
Ein Polizist sagte zu
ihr während der Haft, sie solle sich von ihrem Mann scheiden
lassen. Am 14. Februar 1945 wurde Edith Erbrich mit ihrer Schwester und
ihrem Vater von der Frankfurter Großmarkthalle in den Zug
gebracht. Diesen Tag kann Edith Erbrich nicht mehr vergessen. An diesem
Tag wurde sie ebenso wie etwa tausend weitere Menschen aus Frankfurt,
Wiesbaden, Mainz und den umliegenden Landkreisen deportiert. Heinz
Bär -ihr Cousin- wurde an seinem 15 Geburtstag am 14.
Februar 1945 im selben Transport deportiert. Kurz vor Kriegsende wurden
sie in die Viehwaggons getrieben. Die Deportation am 14. Februar 1945
mit der Reichsbahn von Frankfurt nach Theresienstadt ist Edith Erbrich
noch genau in Erinnerung:
"Schlimm, Schrecklich, Grausam. Ich weiß noch genau wie wir von
der Uhlandstraße zur Großmarkthalle gelaufen sind. Die
Straße war schwarz voller Menschen...Die SS wusste genau, welche
Menschen deportiert wurden. Ich hielt mich an der Hand meiner Mutter
und schaute sie an, als ob ich mir ihr Gesicht einprägen wollte.
Meine Mutter wollte freiwillig mit und durfte nicht. In der
Großmarkthalle ging alles sehr schnell. Die Viehwaggon standen
bereit. Wir mussten in die Viehwaggon einsteigen. Es waren zwischen 30
und 40 Menschen. Im Waggon war kein Stroh. Es waren blanke Holzbalken.
Die Türen wurden zu geschlagen; der Riegel zu geschoben. Den
Riegel höre ich heute noch. Es war dunkel...Die Menschen waren
erstarrt oder haben geweint. Die Tür ging noch mal auf und der
SS-Mann schrie: 'Hebt die beiden Kinder noch mal hoch. Die Mutter will
sie noch mal sehen.' Ich sah, wie meine Mutter weinte...Durch die
Holzblanken konnten man sehen wie der Zug gefahren ist. Es war Februar
und kalt. Wir haben gefroren und haben uns aneinander gekauert. Das
Schlimme war die Erstarrtheit der Menschen...Wir mussten unsere Notduft
im Waggon verrichten...Die Männer hatten Zeitungspapier und wir
warfen es aus dem Fenster. Er war unmenschlich...Einmal hat der Zug
gehalten und es mussten allen aussteigen. Diejenigen, die es bis dahin
nicht überlebt hatten, wurden einfach 'entsorgt' und den Abhang
heruntergeworfen. Und Fertig. Der Nächste Halt war dann
Theresienstadt..."
Postkarte an die Mutter, die während der Deportation ins KZ Theresienstadt
geschrieben und aus dem fahrenden Zug geworfen wurde. Es grenzt an ein Wunder,
dass die Karte bei der Mutter angekommen ist.
Im KZ-Theresienstadt wurde die beiden Mädchen von ihrem Vater
getrennt und kamen auf die Entlausungsstation. Dort wurden ihnen die
langen Haare abgeschnitten und sie wurden desinfiziert. Hella musste in
Theresienstadt die angekommenen Viehwaggons reinigen und die Toten
herausschaffen.
Später erfuhr Edith Erbrich, dass die Nazis in Theresienstadt
kleine Kinder gegen die Wand "Tod geschlagen" haben. Ihr Vater fand
später durch die Russen heraus, dass ihr Transport XII/10 für
die "Vergasung" am 9. Mai 1945 vorgesehen war. Genau ein Tag
später wurde der Sohn Norbert Bär geboren. Edith Erbrich
besucht regelmäßig Schulen und berichten dort als
Zeitzeugin. Sie möchte an die Jugendlichen eine wichtige und
verständliche Botschaft weitergeben:
"Ich möchte, dass so etwas nie wieder kommt. Die Jugendliche
sollen darüber aufgeklärt sein, was damals war. Wir haben
heute viele Religionen und ich werde häufig von Jugendlichen
gefragt, ob ich die Deutschen hasse. Ich antwortete darauf: 'Ich kann
doch die Deutschen nicht hassen, ich bin doch selber Deutsche.' Ich
habe nur eine andere Religion. Da merkt man, wie es bei den
Jugendlichen klick macht. Sie denken immer ich bin Jüdin. Ich bin
Deutsche, ich bin Frankfurterin...Ich muss doch keinen Menschen hassen
und man darf nicht solche schlimmen Verbrechen wie Hitler
machen..."
Über die Trauerrede des Ministerpräsidenten Oettinger aus
Baden-Württemberg im April 2007, der über den verstorben
Nationalsozialisten Hans Filbinger und späteren
Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg sagte, er sei kein
Nationalsozialist, sondern ein Regimegegner gewesen, ist Edith Erbrich
als KZ-Überlebende entrüstet. Filbinger hatte gegen
Kriegsende noch als Marinerichter Todesurteile gegen Deserteure
verhängt. "Ich empfinde es als unverschämt. Ich finde
hierfür überhaupt keine Worte dafür. Ich bin
fassungslos...Es ist eine Frechheit gegenüber den Opfern..."
|