Die Witwe
Anna Schneck mit ihren sieben Kindern (von links): Mathilde, Hyacintha,
Ewald, Roman, Edmund, Waltraud, Paul und einem Neffen vor ihrer
Unterkunft im Ummenwinkel, in Auschwitz-Birkenau ermordet; das
jüngste Kind Paul starb noch vor der Deportation in Ravensburg.
(Foto Stadtarchiv Ravensburg)
Am 13.
März 1943 wurden um 5 Uhr morgens 36 Kinder, Männer und
Frauen von der Gestapo aus dem damaligen Lager Ummenwinkel in
Ravensburg abgeholt. Ein langer Güterzug verließ am 15.
März 1943 den Stuttgarter Güterbahnhof. Seine Fracht:
Menschen in Viehwagons gepfercht: Sinti und Roma aus Württemberg.
Sein Ziel: Auschwitz-Birkenau - 1.150 Bahnkilometer entfernt. In diesem
Güterzug befanden sich auch die sechs Kinder von Anna Schneck.
Alle sechs Kinder wurden in Ravensburg geboren: Mathilde (geb.
1925), Hyacintha (geb. 7. August 1926), Ewald (geb 12. Juli
1927), Roman (geb. 16. September 1928), Edmund (geb. 9. Dezember 1929)
und Waltraud (geb. 31. Mai 1931). Die Älteste des Stuttgarter
Transports war Kreszentia Schneck (1860-1943), die Großmutter der
sechs Kinder, damals 83 Jahre alt. Als sie am 13. März 1943 auf
den Lastwagen im Ummenwinkel gehoben wurde, sang sie laut: „Nun
ade, du mein lieb Heimatland.“
An Familie Schneck mit ihren sieben Kindern erinnert sich die Inhaberin der Bäckerei, Frau Karoline Frommlet (geb. 1913):
...
Bis zum 1. April 1943 führten wir unsere Bäckerei in der
Oberen Breiten Straße... Die Zigeuner waren über viele Jahre
häufige und gern gesehene Kunden bei uns. Sie haben ihre Sachen
immer bezahlt, es gab nie Ärger mit ihnen... Bei Frau Schneck war
es immer blitzsauber, sie arbeitete fleißig bei den Bauern,
versuchte Geld beiseite zu legen, um ihre Kinder anständig zu
kleiden... Ihr Ziel war es, für jedes ihrer sieben Kinder
ein Matrosenanzügle ... zusammensparen. Ihr Erziehungsstil war
äußerst liebevoll, sie sorgte vorbildlich für ihre
Familie. ... Frau Schneck ereilte ein grausames Schicksal. Eines Tages
betrat sie in Trauerkleidung die Bäckerei. Auf meine Frage
erzählte sie mir, dass ihr Mann auf tragische Weise ums Leben
gekommen sei. Angeblich war er beim Schwarzfischen am Hasenbach
beobachtet worden und musste deshalb vor Gericht. Lebhaft bestritt er
die Vorwürfe beim
Verhör. Plötzlich brach er zusammen, seine beim Verhör
anwesende Frau fing ihn auf und merkte sofort, dass er tot war. Er
hatte einen Herzschlag erlitten. Erst nach geraumer Zeit und nach
mehreren barschen Aufforderungen, sich doch zusammenzunehmen, merkten
auch die Vernehmenden, dass Herr Schneck nicht mehr am Leben war.
Später verstarb Frau Schnecks jüngstes Kind Paul. Es wurde im
Matrosenanzügle beerdigt. Von ihrem Abtransport im März 1943
habe ich nichts erfahren.